Notfälle am laufenden Band …

CMI und RSTT am 21. und 22. Oktober 2017 beim RdE
Text und Bilder von Antje Frers

Am 21. und 22.10.2017 fand beim RdE eine Kombination aus einer Bildungsveranstaltung des Hamburger Kanuverbands und einem RSTTs der Salzwasser Union statt. DKV-Übungsleiter konnten dabei den Nachweis für ihre Lizenzverlängerung erwerben. Inhaltlich ging es um ein Training speziell für Kajakfahrer im Notfallmanagement (engl. „Critical Incident Management“ , kurz: CMI). Christoph Sowa ist als kompetenter Rettungsassistent und Ausbilder auf diesem Gebiet in Verbindung mit seiner Erfahrung auch als Paddler der Experte und hat uns theoretisch mit dem Wissen und vor allem praktisch mit Notfällen aller Art (oder der Anleitung dazu) versorgt.

So galt es für die 9 Teilnehmer – unvorbereitet - folgende Notfälle zu versorgen:

1. Atemstörung eines Asthmatikers in unserem Versammlungsraum
2. Kreislaufkollaps aufgrund Herzinfarkt auf dem Schweinesand
3. Ohnmacht direkt nach der Anlandung am Slip
4. Unterschenkelfraktur (offener Bruch) eines Trockenanzugträgers (Entfernung bzw. Öffnung des Anzuges notwendig)
5. Retten und Versorgen eines unzureichend gekleideten, am Blankeneser Leuchtturm gekenterten Paddlers mit Bewußtseinseinschränkung wegen Unterkühlung
Anmerkung zu Punkt 5: Die Wassertemperatur betrug zu dem Zeitpunkt etwa 14 ° C. Ohne Isolationskleidung, aber mit Schwimmweste, kann man von einer Überlebenschance (noch nicht bewußtlos) von ca. 1 Stunde ausgehen, wenn nicht in den ersten Sekunden des Eintauchens aufgrund des Kältereizes bereits ein unwillkürlicher Reflex (Immersionsschock) einsetzt, der die Atmung behindert oder wegen Hyperventilation auch Wasser in die Lunge kommen läßt. Vorausgesetzt, man bekäme die Atmung in den Griff, wären dann allerdings nur in den ersten etwa 10 Minuten noch Kraft und Mobiliät vorhanden für die eigene Rettung (Wiedereinstieg, Sicherung am Kajak, notfalls kurze (!!) Schwimmstrecken). Wie der Körper reagiert, ist individuell verschieden und von weiteren Einflußfaktoren abhängig.) Eingebunden waren diese Szenarien in ein gleichzeitig stattfindendes RSTT, ein von mir geleitetes regionales Sicherheits- und Techniktraining der Salzwasser Union, welches zusätzlich von Axel Voigt aus Hamburg assistiert wurde. Der Schwerpunkt lag hier auf die Anwendung von Rettungsmethoden auf dem Wasser bei ohnmächtigen oder verletzten Gekenterten. Die „Schöpfmethode“ in ihren verschiedenen Variationen ist hier das Mittel der Wahl und mit einigen Tricks und Kniffen und etwas Übung auch zu schaffen, wenn man mit dem Gekenterten allein unterwegs ist. Hinzu kam das Schleppen eines (Paddler-)Päckchens unter den erschwerten Bedingungen der Tideströmung, die besonders an den stark umströmten Stacks mit ihren Kehrwassern tückisch sein kann.
Im Unterschied zu den bekannten Erste-Hilfe-Kursen wurde hier also unter äußerst realistischen, paddlertypischen Bedingungen trainiert. Erfreulich zu sehen war, dass sich die Teilnehmer von Fall zu Fall routinierter und sicherer an die spezifischen Rettungsmaßnahmen heran trauten, obwohl sämtliche Notfallsituationen für sie zumeist aus heiterem Himmel kamen.
Beispielhaft
aufgezählt hier einige wichtige Erkenntnisse speziell für uns Paddler:
• Alurettungsdecke (am besten griffbereit in der Schwimmweste) für den Transport an Land mit 4-6 Personen, die zum Tragen an den Seiten mehrfach eingerollt wird und  hält (wenn man vorsichtig trägt) – zwecks
•  Rettung in Horizontalposition, um einen Bergungskollaps (kaltes Schalenblut gelangt in den zentralen Kreislauf) zu vermeiden
•  wärmende Unterlagen (Sitzkissen, Schwimmwesten, Matten, Kleidung)
•  Windschutz (Kajaks seitlich hochgekantet, Tarp, Zelt, Rettungsdecke)



•  nasse Kleidung unbedingt entfernen, am besten mit einer schnittigen SCHERE (griffbereit in der Schwimmweste), den Körper sanft abrocknen und in wärmendes Material wieder einhüllen, bei Restfeuchtigkeit mit Dampfsperre
•  passive Erwärmung des Körpers mit warmen Flüssigkeiten, eingefüllt in einen wasserdichten Beutel mit Kleidung drin
•  Stabilisierung von Bein-Brüchen mit teilbarem Paddel und Dreieckstüchern sowie Sitzkissen als Polsterung zwischen Körperteil und Paddel

•  funktionierende wasserdichte Notrufsysteme mit Ortungsmöglichkeit (Handy, UKW-Handfunk mit DSC-Funktion, satellitenunterstützte Seenotbaken wie z.B. das nicht einmal zigarettenschachtelgroße „rescueME“  von Ocean Signal)
•  batteriebetriebene LED-Leuchtsignale, z.B. Odeoflare, statt herkömmliche, nicht ungefährliche pyrotechnische Signalfackeln, damit man bei Tag und Nacht auch im Wasser schwimmend gefunden werden kann
•  Inhalte des Erste-Hilfe-Pakets auf Eignung prüfen (z.B. eher Dreieckstücher und Abdeckmaterialien als Mullbinden) und anwenden können
Anmerkung: die ersten 5 Punkte sind wichtig bei unterkühlten Personen, die sich nicht mehr selbst aktiv durch Bewegung erwärmen können, möglicherweise auch bewusstlos sind und  im Ertrinkungsfalle bei 
Atemstillstand unbedingt  zuerst  einige Male beatmet werden sollten. Setzt dann kein Lebenszeichen ein (kein Puls, keine Atmung), wird umgehend mit Herzdruckpressen begonnen (CPR), wozu ein fester Untergrund notwendig ist.
Übrigens:
Sowohl die Polizei und Feuerwehr in Hamburg wie auch die Rettungsleitstelle in Bremen wurden über unsere Aktionen auf und am Wasser an diesem Wochenende zuvor in Kenntnis gesetzt, weil nicht auszuschließen war, dass Passanten einen Notfall annehmen und melden. In einem tatsächlichen Notfall - sofern ein Mobilfunknetz vorhanden ist - wäre der Anruf bei der Feuerwehr (Tel. 112) die richtige Wahl. Ist man an der Küste unterwegs, meldet man den Notfall am besten direkt bei der Rettungsleitstelle für Seenotfälle in Bremen (MRCC; Tel. 0421 53 68 – 70; übrigens auch aus dem Ausland möglich, dann mit der Vorwahl 0049 statt der 0). Seit Kurzem gibt es darüber hinaus eine sehr nützliche App für das Handy, die sich „safetrx“ nennt und im Notfall auch gleich die Positionsdaten an das MRCC mitliefert. Einfach mal googeln für mehr Information.
Und last but not least:
es handelt sich hier lediglich um einen Bericht der Veranstaltung, sicher nicht vollständig, und als Anreiz zu verstehen, bei nächster Gelegenheit seine eigenen Kenntnisse bezüglich Erste Hilfe aufzufrischen und im Besonderen die Notfallmassnahmen bei Ertrinkungsunfällen kennen zu lernen.

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